Archiv für die Kategorie ‘Essen und Trinken’


22. April 2011

Artgerechte Haltung für Menschen: Fazit nach acht Monaten

Nach meinem Beitrag zum Muckibudenzauber haben viele Blogleser genauer nachgefragt, wie ich das genau mache mit der Ernährung und der Bewegung – und ob wirklich beides gleich wichtig ist. Nun bin ich keine Biochemikerin und keine Fitness-Expertin, und auch das Thema dieses Blogs ist ein anderes.

Aber hey – wenn es anderen hilft, was ich hier aufschreibe, wenn es sie auf neue Ideen und zu einem freundlicheren Verhältnis zu ihrem Körper bringt, dann ist das ein klarer Fall von gelungener Kommunikation: mein Thema! Außerdem habe ich während meines Selbstversuchs vieles nachgelesen und nachgefragt. Die Ergebnisse teile ich hier gern – und es passt ja auch gut ins Ende der Fastenzeit, dieses Thema!
Hier also die

Gebrauchsanleitung für den menschlichen Körper:
Die Super-Duper-Einfachversion in 10 Punkten

  1. Jeder Körper ist einzigartig: Es gibt kein allgemeines Rezept für einen starken, schlanken Körper, das für alle funktioniert. Sie können aber herausfinden, was für Sie persönlich funktioniert: was Sie gut verdauen können, wie viel und welche Art von Bewegung Ihnen gut tut.
  2. Dennoch scheint es eine für Menschen insgesamt artgerechte Ernährung zu geben, die zu mehr Energie und einem gesunden Maß an Körperfett führt. Wie viel Körperfett das in Ihrem Fall ist, hängt wieder von Ihrem individuellen Typ ab. Mein Mann hat den Körper eines Marathonläufers. Ich nicht. Das Leben ist nicht fair.
  3. Eine artgerechte Ernährung ist wichtiger als eine erhöhte Bewegungsleistung. Artgerecht bedeutet, dass
    – unser Körper genügend Nährstoffe und Energie zur Verfügung hat, und dass er
    – diese Energie nicht als Fett in die gleichnamigen Fettzellen stopft, anstatt sie in Muskelkraft, Hirnleistung oder andere schöne Dinge umzuwandeln.
  4. Diese Ziele lassen sich am leichtesten dadurch erreichen, dass Sie die Aufnahme von Zucker und Stärke deutlich reduzieren. Beide scheinen so eine Art menschliches Mastmittel zu sein: billig, gern gefuttert und Lieblinge der Fettzellen.
  5. Wenn Sie das für sich selbst testen wollen, machen Sie (na gut, nach Ostern!) ein kleines Experiment: Lassen Sie einen Monat lang abends und nur abends alles Süße und alles krass Stärkehaltige weg: Schokolade, alles Schleckerzeug, Kuchen, Gebäck, aber auch Kartoffeln, Brot, Reis, Mais, Chips und ja, auch Pasta und Pizza. Außerdem Cocktails, Fruchtsäfte, Limos und andere zuckerhaltige Getränke. Und Bier. Sorry.
    Essen Sie stattdessen abends Gemüse zusammen mit Eiweiß: Tofu, Ei, Käse, Fisch, Para- oder Macademianüsse, Krustentiere, Geflügel oder auch Fleisch. Ihre Muskeln brauchen das.
  6. Essen Sie in dieser Zeit nur drei Mahlzeiten, die mindestens vier Stunden Abstand voneinander haben sollten. Essen Sie so lange, bis Sie angenehm satt,  aber nicht vollgestopft sind. Das finden Sie am besten heraus, wenn Sie beim Essen weder lesen noch fernsehen oder twittern.
  7. Der Effekt der beiden Maßnahmen aus 5. und 6.: Ihr Körper holt sich mehr Energie aus den Fettzellen, vor allem nachts. Die tun ihrerseits das, was wir uns von ihnen wünschen: Sie schrumpfen.
  8. Bewegen Sie sich, wenn Sie Lust und Energie dazu verspüren. Die Reihenfolge ist logisch: Erst muss die Energie in die Muskeln, dann wollen wir uns bewegen. Wenn wir sie umdrehen, passiert zweierlei: Wir werden hungriger, und wir sparen die Bewegung woanders wieder ein. Ansonsten sind Kardio- und Muskeltrainings gesund – sie machen uns allein eben nur nicht dünner!
  9. Die meisten Menschen verlieren auf diese Weise Fett und gewinnen Kraft. Die Herausforderung besteht in der Konsequenz aus Punkt 1: Es gilt herausfinden, wie viel Stärke und Zucker Sie persönlich verarbeiten können, ohne dicker und schlapper zu werden. Mein Mann kann zum Beispiel Berge von Nachos, Pasta und Schokolade vertilgen und verbrennt alles. Tja. Grrr.
  10. Wenn die neue Ernährungsweise für Sie passt, so passen Sie Ihre Ernährung an Ihre individuelle Stärke- und Zuckertoleranz an. Lassen Sie beides abends weg und bleiben Sie bei drei Mahlzeiten täglich. Morgens und mittags können Sie experimentieren: Wie viel Stärke und Zucker können Sie essen, ohne wieder zuzunehmen? Wenn Sie in dem Monat Ihres Experimentes nichts abgenommen haben, dann sind Sie entweder sehr schlank, oder Sie sollten mittags wie abends essen, weil Sie besonders stärke- und zuckersensibel sind.

Das Schöne an dieser Strategie ist, dass Sie im Prinzip alles essen können – nur eben nicht zu jeder Tageszeit, und vielleicht mehr oder weniger als die Menschen um Sie herum (hier ein letztes Grrr!). Das Ganze funktioniert übrigens auch dann, wenn Sie einmal eine Ausnahme machen. Insgesamt werden Sie merken, dass Sie Ihr Hunger zwischen den Mahlzeiten schnell verschwindet, wenn Sie wieder gelernt haben, zwischendurch aus Ihren Fettzellen zu snacken.

Schicken Sie mir eine Nachricht, wenn Sie die erste Jeans in einer kleineren Größe kaufen. Das ist ein wichtiger Moment… Aber es geht hier ausdrücklich nicht um die Bedienung des allgemeinen Schlankheitswahns: Es geht vielmehr darum, dass wir gesund und stark all die Dinge tun, die wir tun wollen!

Ich wollte als Laie genauer wissen, wie Fett- und Kohlehydratestoffwechsel in Zusammenhang mit Bewegung funktionieren und habe aus diesem Buch bei weitem am meisten gelernt: Gary Taubes (2011). Why We Get Fat. New York: Knopf.

Der Mann hat Recht, findet mein Körper.


26. September 2010

Beethoven, Garnelen und regelwidriger Small Talk

Es war vor einigen Tagen: Ich weilte mit einer meiner liebsten Freundinnen bei einem Konzert des Bonner Beethovenfestes. Dies poste ich nicht, weil es so spektakulär schön war (obwohl: Es war spektakulär schön, mit Sebastian Knauer am Flügel und Martina Gedeck als Rezitatorin).

Nein, ich schreibe mit einem Anliegen. Das haben wir Kommunikationsleute immer.

Also: Es war ein Konzert mit geladenen Gästen. Die meisten dieser Menschen kamen paarweise oder erkannten sich an Reversnadeln, die ihre Mitgliedschaft in honorigen Clubs offenbarten. Die Kommunikationsform: gepflegte Langeweile im Duett, verbunden mit verstohlenen Blicken ins Umfeld: Wer ist noch so da?

Nach dem Konzert (wirklich spektakulär schön, siehe oben) lud der großzügige Gastgeber zum Lunch mit Blick auf den Rhein. Kommunikationsfördernderweise hatte er auf der sonnigen Terrasse nur Tische mit sechs Plätzen und mehr decken lassen. Meine Freundin und ich hatten während der Vorspeise reichlich Themen: Wir hatten uns seit Wochen nicht gesehen. Doch zwischen Garnelen und Tomate merkte ich: Wir waren am voll besetzten Tisch die einzigen, die sich unterhielten.

Liebe Bloglesende, falls Sie sich jemals in einer solchen Situation befinden, so bedenken Sie: Sie sind Teil der Tischgemeinschaft und für alles, was in ihr (nicht) passiert, mitverantwortlich. Also machen Sie Ihren Einsatz: Spielen Sie! Im Zweifel sieht man sich eh nie wieder.

Ich legte also die Tomate zurück, blickte nach links auf den Teller meiner Nachbarin und sagte: „Oh! Pastetchen! Hätte ich auch gern. Hab‘ mir aber geschworen, zehn Pfund abzunehmen.“ Worauf der Gatte der Nachbarin (vor Kopf) kommentierte: „Zehn Pfund? Die sind bei uns zu Hause ganz oben auf der Themenliste!“

Ah. Heikel. Und ja, ich weiß, gegen welche Small Talk-Regel ich verstieß. Aber immerhin kam Bewegung in die Vorspeisengrabesstille (auch, weil meine Freundin mir unterm Tisch gegen das Schienbein trat. Danke, oh @frauenpower!)

Inzwischen meinte die Gattin: „Ja – ich hab‘ sie auch schon abgenommen, die zehn Pfund.“ Ich: „Wow! Ich quäle mich drei Mal pro Woche in die Muckibude. Bei mir tut sich leider nicht viel…“ Ja, ich weiß. Muckibude nach kulturell hochwertigen Veranstaltungen passt auch nicht. Dafür war ich gut angezogen.

Jetzt schaltete sich die männliche Hälfte vom Ehepaar schräg gegenüber ein, um von seiner Muckibude (rechtsrheinisch) zu berichten. Will sagen: Von diesem Punkt an hatten wir ein Tischgespräch. Der Nachtisch war denkwürdig heiter. Die Sonne schien uns auf die Nasen. Nachmittags trieb es mich allerdings in die Muckibude…

Fazit: Etwas Besseres als Stille gibt es allemale, wenn man sich zu einem geselligen Ereignis trifft. Beim Auftakt helfen folgende Überlegungen:

– Was verbindet uns jetzt gerade konkret? (In meinem Fall: die Vorspeise.)

– Wie kann ich dieses Verbindende zum Thema machen, ohne dass ein reines Ja/Nein/Hmpf als Antwort reichen würde? (In meinem Fall: sehnsuchtsvoller Blick auf das Pastetchen und Hinweis auf mein Röllchenreduktionsprogramm.)

– Wie kann ich die Antwort nutzen, um dem Gespräch Schwung nach vorn zu geben? (In meinem Fall: Muckibuden und Selbstkasteiungsvergleiche. Dann: Vorschlag, zum Dessert zu schreiten.)

Und das Oberfazit: Keine Angst. Die anderen freuen sich. Wirklich.


30. Mai 2010

Medium Esstisch

Abgelegt in Essen und Trinken

Die gemeinsame Mahlzeit ist so alt wie die Menschheit. Der Braten über dem Höhlen- oder Grillfeuer, die Festtafel zur Hochzeit, die Familie am Abendbrottisch und der Business Lunch zwischen Akten und Sitzung: kaum ein Miteinander ohne Speise.

Wir essen alle irgendwann irgendetwas. Allerdings müssen wir dies heute weniger als je zuvor gemeinsam tun. Die Bestellpizza am Computer, ein Baguettebrötchen auf die Hand oder eine Plastikbox mit Resten vom Wochenende ist unser tägliches Brot. Diese Art von Mahlzeit lässt sich fix, problemlos und gemeinschaftsfrei den ganzen Tag über arterhaltend vertilgen: lesend, twitternd oder einfach weiterarbeitend.

Wenn ich sehr viel zu tun habe, rutsche ich leicht in dieses beiläufige Ex-und-hopp-Essverhalten. Aber ich habe mich entschieden, das bewusst zu ändern und mehr als bisher auf ein Miteinander beim Essen zu achten. Hier sind drei wichtige Bereiche, die mich dazu bewegen. Sie haben alle mit anderen zu tun. Und natürlich auch mit mir.

1. Familie. Wir versuchen, morgens und abends so oft wie arbeitstechnisch möglich gemeinsam am Tisch zu essen. Dabei kommen Dinge zur Sprache, die sehr wahrscheinlich unerwähnt blieben, wenn wir nur gemeinsam in einem Raum anwesend wären: die neue App, die alte Nachbarskatze, der unfaire Lehrer.
Ich glaube, wenn ich einmal grau bin, werden diese Stunden zu schönen Erinnerungen geworden sein. Abgesehen davon lernt unser eher wortkarger Herr Sohn, was Konversation ist: Nähe. Wärme. Bewegung.

2. Netzwerk. Ich esse gern mit Freunden und Geschäftspartnern: mittags oder abends, im Restaurant oder zu Hause. Meine liebste Tischgröße: die für zwei bis vier Personen. Dann ist selbst in einer Stunde Mittagspause ein echtes Gespräch möglich, und ich kann den Menschen hinter der Funktion sehen. Fast immer bin ich hinterher wach, inspiriert und beeindruckt von dem, was meine Tischgenossinnen und -genossen so denken und tun. Und viele meiner richtig guten Projekte begannen am Esstisch.

3. Zuwendung. Einige wunderbare Menschen in meinem Umfeld gehen nicht gern aus. Sie sind krank oder älter, es geht ihnen nicht gut oder sie gehören zu den zurückgezogenen leisen Menschen. Wenn ich diese Freunde und Bekannte besuche, versuche ich die Begegnung meistens mit einem Essen zu verbinden. Kaffee und Kuchen oder ein einfaches mitgebrachtes Gericht (manchmal von der Pommesbude – warum nicht?) sorgen, gemeinsam genossen, für unkomplizierte, entspannte Gemeinschaft: Wir essen zusammen. Wir reden miteinander. Manchmal baut die Mahlzeit als Thema eine Brücke. Und die Vorteile aus 1. und 2. kommen noch dazu…