Archiv für die Kategorie ‘Beistand’


18. März 2020

Ist jetzt wirklich Intro-Zeit?

Corona. Kaum etwas ist so, wie es bis vor ganz kurzem noch war. Und ja, viele der Einschränkungen, die unser öffentliches Leben auf Sparflamme herunterfahren, sind intro-freundlich: Alle halten Abstand voneinander. Es gibt Zeit zum Lesen. Verabredungen, Veranstaltungen und Feiern werden abgesagt. Es gibt weniger Lärm, dafür mehr Zeit und Ruhe zum Nachdenken. Homeoffice mit heißem Tee ersetzt das Großraumbüro oder lange Meetings in großer Runde. Wobei die PR-Profi Jana Assauer, auch mit Intro-Anteilen, ganz richtig anmerkt: Mit (hungrigen, gelangweilten und zum Arbeiten anzuregenden) Kindern im Homeoffice ist es auch für Intros nicht so richtig ruhig und reizarm.

Trotzdem. Gefühlt dutzendweise Blog-Beiträge betonen: Hey, es ist Intro-Zeit. Und Lachen ist gesund. Klar schaue ich mir gerade auch gern lustige Beiträge wie die von Bored Panda  an. Und nochmal klar: Den Beinahe-Hausarrest und die ungewählten Phasen des Alleinseins finden Extrovertierte wohl eher nicht so toll – auch nicht mit Kids, die Kissenschlachten machen.

Intro-Stress trotz Social Distancing

Das, liebe Leserin und lieber Leser, ist aber nur die halbe Wahrheit. Neben dem Ruhebedürfnis und der Empfindlichkeit auf äußere Reize gibt es noch eine dritte Eigenschaft, die intro- von extrovertierten Hirnen unterscheidet: Es ist das leicht erregbare Vorsichtszentrum im Limbischen System – auch Mandelkern oder Amygdala genannt. Durch Cortisol-Messungen lässt sich gut nachweisen: Intros sind besonders gestresst, wenn es zu wenig Sicherheit gibt. Sie bekommen auch schneller da Bedürfnis, sich zu schützen. Und nein, das bedeutet nicht, dass wir Angsthäsinnen und -hasen sind: Es bedeutet, dass es uns gut geht, wenn wir und sicher fühlen.

Hier zum Nachlesen aus meinem Buch Intros und Extros (Gabal 2014):

Cover "Intros und Extros"

Also: Die unfreiwillige Corona-Pause ist für Intros eine enorm stressreiche Zeit. Was wird aus der Gesundheit? Wie geht es den älteren Menschen im Freundes- und Verwandtenkreis? Sind sie in Gefahr? Wie lange gibt es meinen Arbeitsplatz in seiner bisherigen Form noch? Und für uns Selbstständige: Wie lange halten wir den Verdienstausfall durch?

Fragen über Fragen. Alle sorgen für Turbulenzen im Kopf. Vor allem in einem introvertierten. Hinzu kommt, dass die allermeisten Menschen in unserem Land noch nie eine wirklich ernsthafte Krise erlebt haben: Die war bis jetzt immer woanders. Nur die Älteren und Menschen aus Krisengebieten erinnern sich an den Krieg, an Epidemien, an Hunger, an Flucht und an lebensbedrohliche Gefahren. Wir hatten es bis jetzt immer relativ gut – und die Krisenpraxis fehlt uns.

Es geht weiter!

Uns fehlt auch das Erfahrungswissen, das gelassen macht. Egal, wie katastrophal die Situation ist – es geht immer weiter, irgendwie. Genau das werden wir nach dieser Krise haben: Erfahrungswissen. Ja, jeder Corona-Tod ist furchtbar. Ja, der Zusammebruch eines großen Teils der Wirtschaft ist schrecklich. Und ja, es wird wieder anders werden. Für Intros und für Extros. Es geht immer weiter.

Das sage ich meinem empfindlichen Vorsichtszentrum im Hirn. Und nehme nach einigen Tagen Schockstarre die Projekte auf, die ich schon längst verfolgen wollte. Endlich habe ich zum Beispiel dieses Video-Equipment bestellt, das mir der sehr kundige Emanuel Koch empfohlen hat. Es geht weiter…

Nachtrag: Inzwischen hat der Stern einen netten Beitrag zum Thema veröffentlicht.

 


21. März 2011

Wie können wir in Japan helfen?

Emotionale Erschütterung ist die eine Sache. Aktives Handeln die andere. Die Kunst: Das eine mit dem anderen sinnvoll zu verbinden – so dass sich etwas zum Besseren verändern kann.

Es gibt viele Arten, wie wir jetzt in Japan helfen können. In unserer Familie sind wir übereingekommen, dass wir möglichst schnell und möglichst konkret denen beistehen wollen, die jetzt ohne Dach und schutzlos in Notunterkünften leben.

Eine beeindruckende Aktion ist Shelterbox – bestens erklärt unter http://www.shelterbox.de

Mit den Boxen bekommen die Menschen im Norden Honshus genau das, was jetzt gerade zum Überleben wichtig ist. Spenden können Sie direkt auf der angegebenen Website – aber auch mit persönlichem Bezug: Die Frau @ApfelMuse (die engagierte Unternehmerin Andrea Juchem) hat mit Hilfe von Twitter und betterplace.org eine entsprechende Sammelaktion für Shelterbox gestartet:

http://de.betterplace.org/groups/ShelterBox2_Japan

Dorthin haben wir auch gespendet und lassen unsere guten Wünsche mit den Boxen in den Osten reisen…

Eine weitere Shelterbox-Aktion, die ich aus Twitter kenne, ist die von @mellcolm:

http://de.betterplace.org/groups/shelterbox_mellcolm_friends

Minasan gambare!


02. Juli 2010

Was ist wichtig?

Abgelegt in Beistand, wertvoll

In dieser Woche ist unser Herr Sohn nach 15 Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Es war eine chaotische und sorgenvolle, aber auch eine lebendige und sehr wertvolle Zeit – letztere konnten wir klarer erkennen, als kluge Menschen die fiese Borreliose erst einmal diagnostiziert hatten.

Jetzt bin ich froh, dass er wieder bei uns ist. Dass er ganz gesund gestern seinen 11. Geburtstag feiern konnte. Und ich habe ganz neu schätzen gelernt, was in normalen Alltagszeiten so oft unsichtbar bleibt. Besonders im Gedächtnis bleiben werden mir

– die wunderbaren Menschen, die in der unsicheren Phase an unserer Seite gewacht haben, nah und fern, auf Twitter und in emails, telefonisch und persönlich. Danke!

– die vielen Stunden im Krankenhaus, die das Tempo aus meiner normalen Lebensgeschwindigkeit genommen und mir gezeigt haben: Das geht. Und es tut auch gut.

– die Gedanken, die im Alltag wenig Raum haben: über das, was wirklich wichtig ist. Über das, was dem Leben einen Wert gibt. Über die große Zerbrechlichkeit, die so schnell so vieles ändert.

Bleiben wird auch eine tiefe Dankbarkeit für die Zeit, die wir zusammen erleben dürfen.
Und ein größeres Maß an Gelassenheit. Die Welt ist gut – das zeigt sich in schweren Zeiten mit einer anderen Intensität.