Mit ‘Small Talk’ getaggte Artikel


16. Februar 2012

Leise Menschen – jecke Zeiten

Weiberfastnacht in Bonn – der ideale Anlass, um einmal nachzufragen: Was tun leise Menschen in Karnevalszeiten (bzw. im Fasching und in der Fassnacht)?

Gestern habe ich genau das via Twitter (@LeiseMenschen) getan: Ich habe gefragt, ob und wie leise Menschen Karneval feiern. Die Antworten sind so vielseitig wie introvertierte Persönlichkeiten auch. Sie reichen vom „Kommt drauf an!“ bis zum „Nie und nimmer!“; von der Flucht in selige Regionen ohne rote Nasen bis zum Kneipenkarneval mit Freunden. Auch Extro- und Zentrovertierte (Unterscheidung hier) fremdeln manchmal mit dem närrischen Brauchtum. Die karnevalistische Spielart des Humors ist wohl ähnlich wie Kümmel vor allem eines: Geschmacksache.

Wie gehen Sie als leiser Mensch nun am besten mit den jecken Zeiten um? Hier zwei Arten von Hinweisen – wählen Sie nach Ihrer persönlichen Neigung!

1. Sie mögen keinen Karneval.

Suchen Sie einen für Sie angenehmen Ort abseits des Trubels: ein Haus im Wald, eine norddeutsche Stadt, Ihre Wohnung. Tun Sie dort, was besser passt als laute Musik und Körperkontakt mit beschwipsten fremden Masken: Gehen Sie spazieren. Kochen Sie etwas Gutes. Lesen Sie dieses dicke Buch. Schreiben Sie ein Kapitel Ihres neuen Buches. Pflegen Sie einen Austausch, den Sie mögen. Ich fahre zum Beispiel mit einer sehr wichtigen Person nach Berlin und freue mich auf viele gute Gespräche und Treffen mit (wenigen) Freunden…

2. Sie mögen Karneval. (Oder Sie feiern anderen Menschen zuliebe mit.)

Achten Sie auf Ihren Energiehaushalt. Anders als die meisten extrovertierten Menschen brauchen Sie Ruhe und Rückzug zwischendurch. Sorgen Sie also für entspannte Auszeiten – sonst kommen Sie leicht in ganz unkarnevalistische Stimmungen, und am Aschermittwoch sind Sie urlaubsreif.

Wählen Sie die Anlässe gut aus.

– Ist der Kneipenkarneval mit Freunden einmal im Jahr das Besondere? Dann können Sie auf den Rosenmontagszug verzichten.

– Die Kinder wollen zum Kamellefangen? Lassen Sie sie das mit Freunden tun und wechseln Sie sich (bei jüngeren Kindern) mit anderen Eltern mit dem Dabeisein ab.

– Die wichtigste Person in Ihrem Leben will zur Faschingsparty? Gehen Sie mit – aber setzen Sie sich einen Zeitrahmen und planen Sie ihn mit dem Partner oder der Partnerin. Erstens vermeiden Sie so spätere Verstimmungen, zweitens können Sie getrennte Rückfahrten organisieren. Finden Sie auf der Party selbst die Menschen, die auch anderen zuliebe mitgekommen sind. Unter ihnen finden Sie womöglich inspirierende Gesprächspartner, völlig jenseits von Helau und Alaaf.

Machen Sie auch jecke Zeiten zu Ihren Zeiten. Sie sind es, wenn Sie wollen!


26. September 2010

Beethoven, Garnelen und regelwidriger Small Talk

Es war vor einigen Tagen: Ich weilte mit einer meiner liebsten Freundinnen bei einem Konzert des Bonner Beethovenfestes. Dies poste ich nicht, weil es so spektakulär schön war (obwohl: Es war spektakulär schön, mit Sebastian Knauer am Flügel und Martina Gedeck als Rezitatorin).

Nein, ich schreibe mit einem Anliegen. Das haben wir Kommunikationsleute immer.

Also: Es war ein Konzert mit geladenen Gästen. Die meisten dieser Menschen kamen paarweise oder erkannten sich an Reversnadeln, die ihre Mitgliedschaft in honorigen Clubs offenbarten. Die Kommunikationsform: gepflegte Langeweile im Duett, verbunden mit verstohlenen Blicken ins Umfeld: Wer ist noch so da?

Nach dem Konzert (wirklich spektakulär schön, siehe oben) lud der großzügige Gastgeber zum Lunch mit Blick auf den Rhein. Kommunikationsfördernderweise hatte er auf der sonnigen Terrasse nur Tische mit sechs Plätzen und mehr decken lassen. Meine Freundin und ich hatten während der Vorspeise reichlich Themen: Wir hatten uns seit Wochen nicht gesehen. Doch zwischen Garnelen und Tomate merkte ich: Wir waren am voll besetzten Tisch die einzigen, die sich unterhielten.

Liebe Bloglesende, falls Sie sich jemals in einer solchen Situation befinden, so bedenken Sie: Sie sind Teil der Tischgemeinschaft und für alles, was in ihr (nicht) passiert, mitverantwortlich. Also machen Sie Ihren Einsatz: Spielen Sie! Im Zweifel sieht man sich eh nie wieder.

Ich legte also die Tomate zurück, blickte nach links auf den Teller meiner Nachbarin und sagte: „Oh! Pastetchen! Hätte ich auch gern. Hab‘ mir aber geschworen, zehn Pfund abzunehmen.“ Worauf der Gatte der Nachbarin (vor Kopf) kommentierte: „Zehn Pfund? Die sind bei uns zu Hause ganz oben auf der Themenliste!“

Ah. Heikel. Und ja, ich weiß, gegen welche Small Talk-Regel ich verstieß. Aber immerhin kam Bewegung in die Vorspeisengrabesstille (auch, weil meine Freundin mir unterm Tisch gegen das Schienbein trat. Danke, oh @frauenpower!)

Inzwischen meinte die Gattin: „Ja – ich hab‘ sie auch schon abgenommen, die zehn Pfund.“ Ich: „Wow! Ich quäle mich drei Mal pro Woche in die Muckibude. Bei mir tut sich leider nicht viel…“ Ja, ich weiß. Muckibude nach kulturell hochwertigen Veranstaltungen passt auch nicht. Dafür war ich gut angezogen.

Jetzt schaltete sich die männliche Hälfte vom Ehepaar schräg gegenüber ein, um von seiner Muckibude (rechtsrheinisch) zu berichten. Will sagen: Von diesem Punkt an hatten wir ein Tischgespräch. Der Nachtisch war denkwürdig heiter. Die Sonne schien uns auf die Nasen. Nachmittags trieb es mich allerdings in die Muckibude…

Fazit: Etwas Besseres als Stille gibt es allemale, wenn man sich zu einem geselligen Ereignis trifft. Beim Auftakt helfen folgende Überlegungen:

– Was verbindet uns jetzt gerade konkret? (In meinem Fall: die Vorspeise.)

– Wie kann ich dieses Verbindende zum Thema machen, ohne dass ein reines Ja/Nein/Hmpf als Antwort reichen würde? (In meinem Fall: sehnsuchtsvoller Blick auf das Pastetchen und Hinweis auf mein Röllchenreduktionsprogramm.)

– Wie kann ich die Antwort nutzen, um dem Gespräch Schwung nach vorn zu geben? (In meinem Fall: Muckibuden und Selbstkasteiungsvergleiche. Dann: Vorschlag, zum Dessert zu schreiten.)

Und das Oberfazit: Keine Angst. Die anderen freuen sich. Wirklich.