Es war vor einigen Tagen: Ich weilte mit einer meiner liebsten Freundinnen bei einem Konzert des Bonner Beethovenfestes. Dies poste ich nicht, weil es so spektakulär schön war (obwohl: Es war spektakulär schön, mit Sebastian Knauer am Flügel und Martina Gedeck als Rezitatorin).
Nein, ich schreibe mit einem Anliegen. Das haben wir Kommunikationsleute immer.
Also: Es war ein Konzert mit geladenen Gästen. Die meisten dieser Menschen kamen paarweise oder erkannten sich an Reversnadeln, die ihre Mitgliedschaft in honorigen Clubs offenbarten. Die Kommunikationsform: gepflegte Langeweile im Duett, verbunden mit verstohlenen Blicken ins Umfeld: Wer ist noch so da?
Nach dem Konzert (wirklich spektakulär schön, siehe oben) lud der großzügige Gastgeber zum Lunch mit Blick auf den Rhein. Kommunikationsfördernderweise hatte er auf der sonnigen Terrasse nur Tische mit sechs Plätzen und mehr decken lassen. Meine Freundin und ich hatten während der Vorspeise reichlich Themen: Wir hatten uns seit Wochen nicht gesehen. Doch zwischen Garnelen und Tomate merkte ich: Wir waren am voll besetzten Tisch die einzigen, die sich unterhielten.
Liebe Bloglesende, falls Sie sich jemals in einer solchen Situation befinden, so bedenken Sie: Sie sind Teil der Tischgemeinschaft und für alles, was in ihr (nicht) passiert, mitverantwortlich. Also machen Sie Ihren Einsatz: Spielen Sie! Im Zweifel sieht man sich eh nie wieder.
Ich legte also die Tomate zurück, blickte nach links auf den Teller meiner Nachbarin und sagte: „Oh! Pastetchen! Hätte ich auch gern. Hab‘ mir aber geschworen, zehn Pfund abzunehmen.“ Worauf der Gatte der Nachbarin (vor Kopf) kommentierte: „Zehn Pfund? Die sind bei uns zu Hause ganz oben auf der Themenliste!“
Ah. Heikel. Und ja, ich weiß, gegen welche Small Talk-Regel ich verstieß. Aber immerhin kam Bewegung in die Vorspeisengrabesstille (auch, weil meine Freundin mir unterm Tisch gegen das Schienbein trat. Danke, oh @frauenpower!)
Inzwischen meinte die Gattin: „Ja – ich hab‘ sie auch schon abgenommen, die zehn Pfund.“ Ich: „Wow! Ich quäle mich drei Mal pro Woche in die Muckibude. Bei mir tut sich leider nicht viel…“ Ja, ich weiß. Muckibude nach kulturell hochwertigen Veranstaltungen passt auch nicht. Dafür war ich gut angezogen.
Jetzt schaltete sich die männliche Hälfte vom Ehepaar schräg gegenüber ein, um von seiner Muckibude (rechtsrheinisch) zu berichten. Will sagen: Von diesem Punkt an hatten wir ein Tischgespräch. Der Nachtisch war denkwürdig heiter. Die Sonne schien uns auf die Nasen. Nachmittags trieb es mich allerdings in die Muckibude…
Fazit: Etwas Besseres als Stille gibt es allemale, wenn man sich zu einem geselligen Ereignis trifft. Beim Auftakt helfen folgende Überlegungen:
– Was verbindet uns jetzt gerade konkret? (In meinem Fall: die Vorspeise.)
– Wie kann ich dieses Verbindende zum Thema machen, ohne dass ein reines Ja/Nein/Hmpf als Antwort reichen würde? (In meinem Fall: sehnsuchtsvoller Blick auf das Pastetchen und Hinweis auf mein Röllchenreduktionsprogramm.)
– Wie kann ich die Antwort nutzen, um dem Gespräch Schwung nach vorn zu geben? (In meinem Fall: Muckibuden und Selbstkasteiungsvergleiche. Dann: Vorschlag, zum Dessert zu schreiten.)
Und das Oberfazit: Keine Angst. Die anderen freuen sich. Wirklich.
Das war wirklich ein netter Blogeintrag. Nette Tips! Bussi John
Ja, das ist eine schöne Beschreibung unseres wunderbaren Sonntags. Und wirklich, Du hast Recht: Die Runde kam in Schwung, es gab Einiges zu lachen und alle fühlten sich wohler als vorher… manchmal ist es mir zu anstrengend, solche Gespräche in Gang zu bringen, aber eigentlich ist es ganz einfach ….
Isabell