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24. März 2015

Leise Menschen – hart am Wind (1): Wie gehen wir mit Druck um?

Leise Menschen – hart am Wind (1)

Wie gehen wir mit Druck um?

 Mit diesem Beitrag eröffne ich eine Themenreihe: In regelmäßigen Abständen poste ich hier Erkenntnisse, die leisen Menschen in einer oft ganz und gar nicht leisen Welt weiterhelfen können. Dabei geht es mir nicht um Artenschutz, sondern um ein artgerechtes Leben: Wenn es stimmt, dass gemischte Teams besonders erfolgreich sind, sorgen wir doch am besten dafür, dass es allen Teammitgliedern gut geht. Und noch besser ist, wenn wir uns fragen, was „Gutgehen“ für uns selbst eigentlich bedeutet.

Stress im Hirn

Gerade Extrovertierte üben in ihrem Verhalten und in ihrer Kommunikation leicht Druck aus, ohne dass sie das eigentlich wollen oder sich dessen bewusst sind. Extros sind handlungsorientiert, menschenzugewandt und – in entspanntem Zustand – eigentlich fröhliche, zupackende Menschen. Ihre nach außen gerichtete Energie schenkt ihnen eine lebendige Sprache und lässt sie mutig Hindernisse überwinden.

Für Intros ist Druck schlicht anstrengend. Der Extro kann aus verschiedenen Gründen mit seiner zupackenden Energie in Intro-Hirnen für Stress sorgen. Egal, ob die Motivation Status, Gewinnen, Macht oder einfach Power-Kommunikation heißt: Die Stresshormone fließen – vor allem bei Intros, die besonders leicht überstimuliert oder besonders vorsichtig sind.

Laute Szenen

Neulich im Meeting sah das so aus:

Intro-Managerin Karla: Wir haben nach unserer Recherche also ein ziemlich klares Ergebnis: Solange wir das Patent allein haben, werden wir die Nachfrage für das Medikament auf dem neuen Markt sehr wahrscheinlich so steigern können, dass wir die Gewinnzone ungefähr in (…)

Extro-Kollege Alex (unterbrechend): Jaja, stimmt. Jetzt geht es aber darum, schnell aktiv zu werden, bevor die Konkurrenz wieder schneller da ist. Ich schlage vor, wir machen jetzt schnellstens Nägeln mit Köpfen: nämlich (…)

Extro-Chefin: Alles klar – nimmst Du das in die Hand, Alex?

Karla: (guckt fassungslos)

Sie sehen, wie die Sache läuft: Vielleicht wurde Alex schlicht ungeduldig, weil ihm Karlas Beitrag zu langsam vorkam. Vielleicht wollte er sich auch einfach selbst positionieren: Dann wäre es ein Statusding, sich auf Karlas Kosten zu positionieren. Und die hat – egal, aus welchem Motiv Alex sie unterbrochen hat, – Stress. Und sie ärgert sich nach innen, nicht nach außen. Was ihr Ansehen im Team angeht, steht auf einem zusätzlichen Blatt.

Leise Gegenwehr

Wenn Sie ein leiser Mensch sind, haben Sie sich womöglich an ähnliche Situationen in Ihrem eigenen Berufsalltag erinnert und leiden mit Karla. Und womöglich fragen Sie sich gerade, wie Sie in einer solchen Situation eigentlich reagieren können.

Zum Glück gibt es im leisen Repertoire ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten. Verteidigen Sie sich!
Was genau Sie tun können? Wählen Sie selbst. Hier sind einige leise Methoden. Gehen wir dafür zurück ins Meeting.

Methode 1: Für klare Regeln sorgen

Karla: Hey Alex – immer erst ausreden lassen, hm? Steht auf dem Poster!

Vorteil dieser Variante: Allgemeine Regeln gelten für alle – auch leise Moderatoren und Diskussionsleitungen finden es relativ leicht, ohne Ansehen der Person auf sie hinzuweisen. Klappt  sogar bei Vorgesetzten!

Methode 2: Freundlich weiterreden und das Gesagte intelligent nutzen

Karla: Ja, lieber Alex, finden wir auch. Deshalb haben wir schon einmal dafür gesorgt, dass die erste Niederlassung schon nächste Woche (…)

Diese Methode ist fortgeschrittender: Sie brauchen eine relativ schnelle Reaktionsfähigkeit. Wenn Sie ein wenig trainieren, brauchen Sie nur soviel Zeit, wie Sie brauchen, um „Ja, lieber Alex“ zu sagen, um den Inhalt hinterherzuschicken. Wenn Sie nicht gerade mit einem Überraschungsknaller wie der Niederlassung punkten können, reicht es zu sagen, dass Sie schon längst an einer arbeiten. Es geht vor allem um eins: um das Weiterreden. Das geht freundlich und leise.

Methode 3: Im Vorfeld mit den Entscheidungsträgern reden und ihnen das Wichtigste mitteilen

Extro-Chefin: Warten Sie, Alex, lassen Sie Karla mal zuende reden. Es gibt da schon ein Team.

Diese Variante hat zwei Vorteile: Erstens mögen es Vorgesetzte sehr, früher als andere informiert zu sein. Zweitens braucht Karla nicht selbst das Wort zurückzuerobern – das macht schon die Chefin. Mit einer deutlichen Signalwirkung: Alex wird sich nicht noch einmal trauen, sie zu unterbrechen.

Methode 4: Mit Humor eine Ebene höher gehen

Karla: Mooooment, lieber Alex – bist Du mir da gerade ins Wort gefallen? Vor allen anderen? Nee, oder? Also, was ich sagen wollte, (…)

Karla muss gar nicht laut sein – sie braucht nur zu erreichen, dass ihr „Mooooment!“ den Aggrex schon im Ansatz stoppt. Wenn sie eine sehr leise Stimme hat, hilft tief Einatmen und ein zusätzliches Heben der Hand.

 

Methode 5: Gnadenloser Charme

Legen Sie Alex freundlich die Hand auf den Unterarm, während Sie gleichzeitig weiterreden. Das geht natürlich nur, wenn Sie neben ihm sitzen. Wenn nicht, können Sie ihn anlächeln – auch eine Art, die Zähne zu zeigen!

 

Viel Freude beim Ausprobieren. Finden Sie heraus, wie Sie die Stresshormone am schnellsten loswerden, die zupackende Extros Ihnen geschickt haben.

Vergessen wir nicht: Wir stressen die Extros auch. Natürlich ganz klar, ohne das zu wollen. J

 

Buchtipp:

 


SYLVIA LÖHKEN

Intros und Extros

Wie sie miteinander umgehen und voneinander profitieren

360 Seiten, gebunden
E-Book inside
ISBN: 978-3-86936-549-7
€ 24,90 (D) | € 25,60 (A)
GABAL Verlag, Offenbach 2014

Intros, Extros und Zentros nebeneinander in ihren Stärken, Neigungen und auch Hürden im Umgang miteinander zu betrachten – das ist nicht nur fair, sondern ein Gebot der Realität. Denn wir leben ja nicht in Intro- und Extro-Kapseln. Die Realität ist das gemischte Team: in der Partnerschaft und in der Familie, mit Freunden und Kollegen, mit Chefinnen und Mitarbeitern. Das Buch zeigt vor allem eines: wie Menschen mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten, Neigungen und Eigenschaften zusammenwirken und voneinander profitieren können. Die Praxisbeispiele und ihre Lösungen führen zu mehr Verständnis, Toleranz und Wertschätzung gegenüber „leisen“ und „nicht so leisen“ Menschen in der Selbst- wie in der Fremdwahrnehmung.