Archiv für die Kategorie ‘Allgemein’


18. November 2020

Der Weg nach innen: Journaling als Lebenskunst

Abgelegt in Allgemein

Ich habe mit der Berliner Journalistin und Autorin Anja Schreiber gesprochen, die mit ihrem aktuellen Buch einen Wegweiser zum Journaling geschrieben hat. Nach dem Gespräch schreibe ich nun selbst wieder täglich und systematisch Tagebuch. Manche Begegnungen haben eben Folgen…

Schreiben gehört für viele Introvertierte zu den leisen Stärken. Über das Journaling kann es der Weg zu einer Schatzkammer werden.

SL: Die meisten Menschen sind gerade mit existenziellen oder sehr praktischen Fragen beschäftigt: „Wie kann ich mit Kindern zu Hause arbeiten? Behalte ich meinen Arbeitsplatz?“ Ist es in Corona-Zeiten hilfreich, ein Tagebuch zu schreiben?

AS: Sicher haben jetzt viele Menschen existenzielle Fragen und Sorgen. Viele sprechen mit ihren Partnern oder Freundinnen drüber, aber nur wenige schreiben auf, was sie gerade denken und fühlen. Doch so wichtig es auch ist, sich auszusprechen … es bringt nicht immer weiter. Gerade Intros wissen das. Sie neigen ohnehin dazu, bestimmte Dinge lieber mit sich selbst abzumachen. 

Das Tagebuchschreiben ist ein wunderbares Tool, um Gedanken und Gefühle frei in Worte zu fassen. Dadurch wird vieles klarer. Im Prozess des Schreibens gewinne ich Abstand zu meinen Sorgen, Problemen und Ängsten. Sind diese erst einmal niedergeschrieben, lassen sie sich leichter analysieren. Denn sie sind nun nicht mehr nur im Kopf, sondern auch auf dem Papier oder auf dem Bildschirm. Das ist sehr erleichternd. Dann sollte der nächste Schritt folgen: Die Suche nach einer Lösung. Viele kennen das von der Projektplanung im beruflichen Alltag: Sie basiert immer auf Textdokumenten. Das Gleiche macht auch bei der persönlichen Lebensplanung Sinn.

SL: Ist das Tagebuchschreiben eher etwas für Introvertierte?

AS: Ich bin überzeugt, dass das Journaling bei Intros und Extros gleichermaßen positive Wirkungen hat, aber natürlich kommt das Tagebuchschreiben Intros sehr entgegen. Ihnen fällt es wahrscheinlich leichter, sich zu disziplinieren und regelmäßig über sich zu schreiben. Allerdings besteht dieser Vorteil – so glaube ich – nur in der Anfangsphase, wenn es noch keine Schreibroutine gibt. Sobald das Journaling Teil des Alltags geworden ist, wird es den wenigsten noch schwerfallen. Dann ist es zur guten Gewohnheit geworden und funktioniert automatisch. Natürlich ist jeder im Vorteil, der gern über sich nachdenkt und selbstreflektiert durchs Leben geht.

SL: Sie raten dazu, die eigene Lebensvision schriftlich in Worte zu fassen. Warum?

AS: Es gibt Untersuchungen darüber, dass Menschen aufgeschriebene Ziele eher verwirklichen als Ziele, die sie nur im Kopf haben. Eigentlich kennt das jeder aus seinem Alltag: Wir schreiben To-do-Listen und Einkaufszettel. Das ist auch bei der Lebensvision so. Dazu kommt, dass viele meist nur eine vage Vorstellung von ihrer Zukunft haben. Aber je klarer die eigene Lebensvision ist, desto einfacher ist es, den Weg dahin zu planen. Deshalb ist es sinnvoll, in sich zu gehen und sich genau auszumalen, wie man leben möchte – und das dann detailliert schriftlich festzuhalten. In einem Workshop in Berlin fand eine meiner Teilnehmerinnen heraus, dass sie mit Kindern arbeiten will, ihr Studienfach das aber gar nicht vorsieht. Das Niederschreiben der eigenen Lebensvision führt in solchen Fällen zu sehr spannenden Erkenntnissen. Und genau darum geht es: mich selbst zu durchschauen!

SL: Meine Lebensvision zu formulieren: Wie schaffe ich das?

AS: Am besten stellen Sie sich ganz konkrete Fragen: An welchem Ort will ich leben? In der Großstadt oder auf dem Land? Wie wünsche ich mir Beziehungen? Was und wie will ich arbeiten? Stellen Sie sich diese Fragen und schreiben Sie Ihre Antworten auf. 

Viele haben zurzeit existenzielle Sorgen, aber wenig Handlungsspielräume, weil zum Beispiel ihre Branche stark von der Pandemie betroffen ist. Gerade jetzt ist es heilsam, die konkreten Sorgen zwischendurch in den Hintergrund treten zu lassen und sich die eigene Wunschzukunft auszumalen. Vielleicht will jemand, der bei einer Fluglinie arbeitet, sich schon lange verändern, weil ihn das viele Reisen auf Dauer auslaugt und er Familie und Beruf nicht unter einen Hut bekommt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich sehr konkret vorzustellen: Wie könnte wie ein anderes Leben aussehen?

SL: Hat das Tagebuchschreiben auch Folgen für das praktische Leben?

AS: Ich glaube, dass Selbstreflexion immer Auswirkungen auf das reale Leben hat. Reflektierend sehen wir die Welt anders – und können dann auch auf anderen Wegen weitergehen. Vielleicht entwickeln wir Ideen, die unser Leben entscheidend verändern. 

Das geschieht natürlich nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit und Ausdauer. Außerdem ändert sich bereits am ersten Tag etwas Entscheidendes: Wer ein Journal schreibt, nimmt sich Zeit für sich selbst. Das ist wichtig, denn so entstehen neue Prioritäten. Es ist eine Auszeit, eine kleine Reise zu uns selbst, für die niemand die Wohnung verlassen muss.

SL: Was sind die Voraussetzungen dafür?

AS: Voraussetzungen fürs Journaling gibt es keine, außer vielleicht das Interesse an sich selbst.

SL: Was würden Sie Menschen raten, die mit dem Tagebuchschreiben loslegen wollen?

AS: Einfach anfangen, aber damit rechnen, dass sich die gute Gewohnheit nicht automatisch einstellt. Deshalb empfehle ich Geduld. Es braucht nicht viel Zeit … jeden Tag ein paar Minuten. Dazu braucht immer wieder einen kleinen Willensimpuls. Sehen Sie das Journaling als Training an, das Ihre Fähigkeit stärkt, Ideen zu entwickeln, Pläne zu schmieden und umzusetzen und dadurch zufriedener zu werden.

SL: Sie sagen, dass es wichtig ist, nicht nur zu schreiben, sondern auch das Geschriebene zu reflektieren. Wie geht das?

AS: Durch Lesen! Es macht Sinn, sich zusätzlich zur eigentlichen Schreibroutine in größeren Abständen mit dem eigenen Journal zu befassen und die vergangenen Einträge durchzulesen. Das Monats- und Quartalsende bietet sich dafür genauso an wie das Halbjahres- oder Jahresende. In dieser Zeit kann ich mein Journal unter einer ganz konkreten Fragestellung betrachten: Bin ich meinen Zielen nähergekommen? Wie steht es mit meinen Beziehungen, meiner Familie, meinem Freundeskreis, meiner Gesundheit, meinen Finanzen, meiner Freizeit … und natürlich meinem Beruf? 

Während dieser Lektüre machen Sie sich am besten Notizen. Zuerst können Sie ein paar Stichworte aufschreiben. Im Anschluss kann dann einen Überblickeintrag entstehen, der eine Vogelperspektive auf Ihre Reflexionen einnimmt. Das ist eine wunderbare Methode, mit sich im Gespräch zu bleiben und sich selbst bei dem Entwickeln von Zielen und ihrer Umsetzung zu begleiten.

Lesetipp:
Anja Schreiber: Entfessle Dein Selbst durch Journaling: Mit dem Tagebuch Träume verwirklichen, Ziele umsetzen, Erfolge wahrnehmen und das Selbstbewusstsein stärken … auch in der Corona-Krise, Berlin 2020

Der Blog von Anja Schreiber: https://blog.anjaschreiber.de


05. August 2020

4 Zutaten, die Ihre Sprache mächtiger machen

Abgelegt in Allgemein, Buch

Unsere Sprache verbindet uns mit Menschen. Sprache ist die Substanz, aus der unsere Gedanken bestehen. Sie prägt unser Tun und unsere Art, in der wir auf die Welt sehen. Kurz: Sprache ist mächtig! Das Wissen darüber, wie Sie Sprache verwenden, gibt Ihnen Wirkungsmacht: über Ihre Gedanken und über das, was Sie in die Welt bringen wollen.

Sachliche Argumente sind wichtig. Aber sie reichen nicht aus. Menschen werden von Sachargumenten allein nicht überzeugt – in den Büros nicht, in der Familie und im Freundeskreis nicht. (Ausnahme: Commander Spock.) Und wenn wir uns die Politik und die Wirtschaft ansehen: Auch da reichen kühle Fakten nicht. Ob wir wirklich Einfluss haben, hängt davon ab, wie wir etwas sagen.

Das Wie entscheidet über die Beziehung

Je größer Ihr Wirkungsbereich ist, umso mehr Sitzungen, Arbeitsessen, Begegnungen und Gespräche stehen in Ihrem Kalender. Und umso mehr kommt es darauf an, dass Sie mit Sprache Menschen beeinflussen und gleichzeitig eine gute Verbindung zu ihnen aufbauen oder sichern. Das ist besonders dann schwer, wenn es kontrovers zugeht – auf der Sachebene wie auf der Beziehungsebene.

Hier ein Beispiel aus der Coachingpraxis (die Namen und näheren Umstände habe ich geändert):

Der Ort: Marketingabteilung in einem Unternehmen in der Pharmabranche. Ein Dreiermeeting: Olaf versucht, die Chefin davon zu überzeugen, dass sie aus Simones Marketingbudget etwas für sein neues Projekt abzweigen könnte. Simone ist da anderer Meinung…

Die Sachebenen sind klar: Simone will ihr Budget ungekürzt für ihre eigenen Projekte verwenden. Olaf führt gute Gründe an, warum er etwas aus genau diesem Topf braucht. 

Auftritt Simone. Hier sind vier Strategien, mit denen sie eine gute Chance hat, ihr Budget zu retten.

Strategie 1: Freundlichkeit

Freundlichkeit ist wahrscheinlich nicht gerade die erste Idee, die Ihnen in den Kopf gekommen ist. Wenn es stressig wird und wir uns angegriffen fühlen, ziehen wir mit unserer Sprache eher die Zugbrücke hoch. 

Wenn Sie unter Druck ruhig und freundlich bleiben, dann zeigen Sie Souveränität: Sie brauchen keine Zugbrücke. Und Achtung: Freundlich heißt nicht nachgiebig!

Nicht so:
„Wir müssen alle mit unserem Budget auskommen, lieber Olaf!“

Sondern so:
„Interessant. Lass mal hören: Wie stellst Du Dir das genau vor?“

Strategie 2: Klarheit

Freundlichkeit und Klarheit gleichzeitig in die Sprache legen: Das geht – und es hat eine starke Wirkung!

Nicht so:
„Wie soll das denn gehen? Ich habe hier auch Verantwortung für meine Projekte!“

Sondern so:
„Dein Vorschlag geht zu Lasten meiner Projekte A und B. Wir haben die Gelder vom Vorstand offiziell bewilligt bekommen, und zwar zweckgebunden. Und dieser Zweck bleibt!“

Strategie 3: Interessant sein

Wir lernen am besten, wenn uns etwas interessiert. Seien Sie interessant, wenn Sie etwas vermitteln wollen.

Nicht so: 
(langatmiger Widerspruch mit gleichförmiger Intonation)

Sondern so:
„Lasst uns mal sehen, was auf dem Preisschild steht, wenn wir das tatsächlich so machen. Das Vertriebsteam hat auch Gelder verschubst – da ist jetzt gerade Heulen und Zähneklappern…“

Strategie 4: Positiv sein

Machen Sie keine Probleme – lösen Sie sie.

Nicht so:
„Ja, aber das geht nicht, weil wir schon…“

Sondern so:
„Olaf, ich kann gut verstehen, dass Du das Projekt pushen willst. Lass uns mal sehen, ob wir einen Topf finden, in dem noch ein Puffer ist. Da war doch noch… Und im nächsten Jahr könnten wir doch… (Mit Blick zur Chefin:) Was meinst Du?“

Und jetzt Sie!

Wie fast alle mächtigen Instrumente ist das machtvolle Reden Übungssache. Nutzen Sie die vier Zutaten doch in einer oder zwei der folgenden Situationen, sozusagen als Trockenübung. Und dann machen Sie in freier Wildbahn weiter!

  • Ihr Teenager soll sein Zimmer aufräumen. Er ist unterwältigt.
  • Sie wollen endlich einmal Urlaub in den Bergen machen und nicht nur am Meer!
  • Sie finden, dass die Großfamilie auch einmal woanders Weihnachten feiern kann als wieder bei Ihnen.
  • Sie wollen die nächste Karrierestufe angehen: Gespräch mit dem Chef.
  • Ihre Vorgesetzte gibt Ihnen eine Aufgabe, die undankbar ist – und die mit Ihrer Jobbeschreibung wirklich nichts zu tun hat.

Für den Zugang zu Ihrer eigenen machtvollen Sprache finden Sie in unserem neuen Buch ein ganzes Kapitel! 

Hier geht es zur Leseprobe:


10. Juni 2018

Wunderbar – auch für Intros auf der Bühne!

Wunderbar heißt ein Buch, das gleich 140 Kontaktmöglichkeiten mit einem großen Publikum beschreibt – von der Bühne aus also. Meine extrovertierte Freundin und Kollegin Margit Hertlein hat es mit Gaston Florin geschrieben und mir schon vor einiger Zeit mit einer lieben Widmung überreicht.

Aber ich habe lange herumgeeiert. Margit und ich haben ganz unterschiedliche Redestile. Als Intro springe ich auf der Bühne eher nicht aus Torten (während Margit das mit Weißbiergläsern schon sehr erfolgreich praktiziert hat). Deshalb war das Buch für mit Extro-Territorium. Und gar zu viele Vorträge habe ich erlebt, in denen der Effekt vor dem Inhalt stand. Zugegeben: Ich hatte meine Vorbehalte. Bis ich es gelesen habe, das Buch – und dann eine Fundgrube entdeckte, mit reichlich Gelegenheiten, meinem Publikum einen Dialog anzubieten, auch wenn sie zu Hunderten vor mir sitzen.

Wobei ich sortiert habe. Einige Übungen sind definitiv zu „krachig“ für meinen Stil, etwa Halloween auf Seite 106 oder die 99 Luftballons auf Seite 274. Andere dagegen sind tatsächlich wunderbar. Mir gefällt zum Beispiel die tolle Idee mit den Live-Säulendiagrammen auf Seite 86 – oder Liebes Tagebuch auf Seite 230.

Inzwischen ist mir die Wunderbar zu einem Nachschlagewerk geworden. Das lässt sich hier erkennen:

Zugegeben, ganz billig ist der Band nicht – wer nicht gerade die Zeitschrift Training aktuell  abonniert und damit 10 € Discount bekommt, der wird um knapp 50 Euro ärmer. Dafür aber ersetzt er manche vollmundig angekündigte Speaker-Weiterbildung – und bietet ein Repertoire sondergleichen. Hier gibt es eine Bestellmöglichkeit sowie auch einige Videos, in der die beiden Autoren ausgesuchte Methoden demonstrieren. Und nein, ich bekomme keine Provision. Das ist einfach ein cooles Buch. Auch für uns Intros. (Und irgendwie habe ich aus der Ferne den Verdacht, das Gaston Florin ein Intro ist. Bauchgefühl…)


28. März 2018

Die Sehnsuchtsstrategie: Im Gespräch mit Anja Schreiber

Dies ist eine Premiere: Zum allerersten Mal habe ich jemanden um ein Interview gebeten. Die „Jemand“ ist Anja Schreiber, eine in Berlin ansässige Journalistin. Anja ist mir aufgefallen, weil sie besondere Fragen stellt und auf besondere Weise hinhört und Themen entwickelt. Als sie neulich in einem Gespräch über Introvertierte von ihrem eigenen Buchprojekt erzählte, wurde ich neugierig: Sehnsucht und Karriere – das ist eine außergewöhnliche Kombination. Ich habe dann einfach einen Rollentausch vorgeschlagen und einmal selbst die Fragen gestellt. Hier ist das Ergebnis:

Liebe Anja Schreiber, wie kommt eine Journalistin eigentlich zu einem Thema wie die Sehnsucht?

Das ist ganz einfach: Ich beschäftige mich als Journalistin seit über zwanzig Jahren mit den Themen Studium, Beruf und Karriere. In zahllosen Interviews mit Fachleuten und Berufstätigen ist mir immer mehr deutlich geworden, wie wichtig die Sehnsucht für ein gelungenes Berufsleben ist – auch wenn der Begriff nicht unbedingt wörtlich vorkommt. Es ist mir deswegen ein Anliegen, einen Weg aufzuzeigen, wie Menschen ihre eigene persönliche Sehnsucht erkennen und konstruktiv für ihren Beruf nutzen können. Diese Methode namens „Sehnsuchtsstrategie“ findet sich in meinem gleichnamigen Ratgeber, den ich letztes Jahr veröffentlicht habe.

Warum ist Ihnen die Frage nach der Sehnsucht so wichtig geworden?

Die Frage nach der Sehnsucht wendet den Blick nach innen. Es geht also nicht um die Interessen und Erwartungen anderer, sondern um unsere persönlichen Wünsche und Träume. Aber genau die kommen oft zu kurz. Wir Menschen fragen uns ständig, wie wir bei anderen ankommen. Viel seltener gehen wir dagegen der Frage nach, was wir ganz persönlich wollen.

Für mich ist die Erkenntnis der eigenen Sehnsucht ein wichtiger Teil der Selbstreflexion! Wenn wir ein gutes (Berufs-)Leben führen möchten, dann kommen wir nicht umhin, in uns hineinzuhören. Reflexion bewahrt uns davor, uns etwas vorzumachen und so eine Richtung einzuschlagen, die gar nicht zu uns passt. Und gerade diese Passgenauigkeit entscheidet meist darüber, ob wir zufrieden sind – und letztendlich auch erfolgreich.

Ihr Buch „Die Sehnsuchtsstrategie“ ist ja auf die berufliche Neuorientierung zugeschnitten. Ist der Beruf ein gutes Biotop für Sehnsucht?

Ich glaube schon! Grundsätzlich empfinden wir Menschen in allen Lebensbereichen Sehnsüchte: Wir haben zum Beispiel Sehnsucht nach erfüllenden Beziehungen zu Menschen und vielleicht nach finanzieller Unabhängigkeit. Darüber hinaus gibt es religiöse und spirituelle Sehnsüchte. Die Themen Finanzen und Beziehungen berühren nicht nur das Privatleben, sondern auch den Beruf. Oft geht es um Erfolg, Anerkennung, Wertschätzung und Sinn: Das alles sind mögliche Sehnsuchtsziele im Job.

Der Begriff Work-Life-Balance zeigt, dass es Denkrichtungen gibt, die zwischen Beruf und Leben unterscheiden. Ich finde diese Trennung nicht glücklich. Denn eigentlich hat alles mit allem zu tun. Wir Menschen legen unsere Persönlichkeit und unsere Träume nicht ab, wenn wir durch die Bürotür gehen. Sicher trauen sich viele nicht, im Beruf ihre Wünsche zu verbalisieren oder gar zu leben. Aber sie sind da!

Welche Fragen stellen Sie Menschen, die ihre Sehnsucht nicht so genau kennen?

Ich versuche, mit sehr konkreten Fragen die Sehnsucht herauszufiltern. Wenn man jemand allgemein fragt, nach was er sich im beruflichen Kontext sehnt, kommt vielleicht nicht viel dabei heraus. Eventuell entsteht sogar eine gewisse Sprachlosigkeit. In der „Sehnsuchtsstrategie“ bitte ich deshalb meine Leserinnen und Leser, sich zum Beispiel Folgendes zu fragen: Wer sind meine Stars oder Vorbilder? Warum? Womit kann ich mich stundenlang befassen und dabei völlig die Zeit aus dem Blick verlieren? In welchen Momenten erlebe ich Sinn? Wen beneide ich und warum? Die Antworten auf solche Fragen können Sehnsüchte offenlegen. Außerdem bitte ich meine Leserinnen und Leser, sich ihre Wunschzukunft ganz konkret vorzustellen. Dabei geht es nicht nur um den Beruf, sondern um das ganze Leben.

Sind Ihnen schon sehnsuchtsfreie Menschen untergekommen? Wenn ja: Wie nehmen Sie sie wahr?

Manche Menschen wirken vollkommen visions- und sehnsuchtslos. Doch wer weiß, wie es in ihrem Innern aussieht? Grundsätzlich gehört die Sehnsucht zum Leben und sicher ist auch, dass sie sich nicht immer erfüllt. Vielleicht trauen sich deshalb manche Menschen nicht, das Thema auszusprechen. Möglicherweise befürchten sie, als Versager dazustehen, wenn sie sich zu ihrer Sehnsucht bekennen, aber dieses Ziel nicht erreichen. Es kann auch sein, dass sie keinen Zugang zu ihren Sehnsüchten haben, sich ihrer also nicht bewusst sind. Ich würde also niemanden als sehnsuchtsfrei bezeichnen. Wohl aber gibt es sehr unterschiedliche Grade der Bewusstheit. Gerade das ist mein Ziel: Menschen bei der Bewusstwerdung zu unterstützen.

Sehen Sie Unterschiede zwischen den Sehnsüchten intro- und extrovertierter Menschen?

Sehnsüchte spiegeln die Individualität von Personen wieder. Insofern könnte es hier in der Tat Unterschiede zwischen Intros und Extros geben. Aber Verallgemeinerungen sind schwierig. Denn natürlich können Intros auch ganz verschiedene Wünsche und Träume haben. Vielleicht will ein Intro Speaker werden, auch wenn das auf dem ersten Blick nicht naheliegt.

Der Hauptunterschied könnte eher in der Art liegen, wie Intros und Extros mit ihren Sehnsüchte umgehen. Wahrscheinlich haben Menschen, die sich nicht scheuen, über sich zu reflektieren, einen leichteren Zugang zu ihren Sehnsüchten. Wer vornehmlich im Außen ist, wird wenig Gelegenheit haben, sich seinem Inneren zu stellen. Hier sind Intros sicher im Vorteil!

Allerdings geht es im zweiten Schritt – nach der Reflexion – auch ums Handeln. Ich kann mir vorstellen, dass Extros in diesem Bereich im Vorteil sind, weil sie Dinge vielleicht schneller und mutiger anpacken.

Welche Sehnsüchte sind Ihnen persönlich zu wichtigen Impulsen geworden?

Eine meiner großen Sehnsüchte seit meiner Kindheit und Jugend war immer das Schreiben als Beruf. Sie sehen: Ich bin diesem Sehnsuchtsziel gefolgt! Ich sehe mich dabei aber noch nicht am Ende der Entwicklung, sondern auf dem Weg. Eine zweite Sehnsucht – die sich allerdings erst später entwickelt hat – ist, Menschen zu inspirieren und zur Reflexion anzuregen. Vereinfacht könnte man sagen, dass ich Hilfe zur Selbsthilfe leisten möchte! Mein Wunsch ist, dass meine Leserinnen und Leser zufriedener werden, weil sie ihr eigenes Leben leben!

Anja Schreiber: Die Sehnsuchtsstrategie. Wie Sie durch berufliche Neuorientierung Erfüllung und Zufriedenheit finden, Berlin 2017/2018, E-Book: 2,99 Euro, Taschenbuch: 7,99 Euro

Anja Schreiber M.A.
Website
dialog@anjaschreiber.de


20. Februar 2018

Coaching-Angebot: Wie genau soll es sein?

Coaching-Angebote empfinde ich immer wieder als fast konspirativ: Es gibt allgemeine Beschreibungen über das, was während der Coaching-Termine passieren kann und wer der oder die Coach ist. Aber zu Dauer, Konditionen oder besonders zum Honorar gibt es nicht immer Auskunft auf den Websites. Ich selbst freue mich immer, wenn ich schon im Vorfeld sehen kann: Was ist im Coaching drin? Und was kostet der Spaß?

Hinzu kommt noch etwas Anderes: Im Büro bekommen wir viele Anfragen nach Coachings, vor allem, wenn in Leitmedien größere Artikel zum Thema Introversion erscheinen, in denen ich etwas sage (also z.B. hier und hier). Viele  Interessierte wollen sich mit diesen Anfragen erst einmal allgemein informieren, einfach mit mir über ihre Anliegen reden. Oft haben sie von den Kosten eines Coachings keine Vorstellung und schrecken dann zurück, wenn ich mein Honorar nenne. Die Kommunikation im Verhältnis zum tatsächlichen Coaching sprengt irgendwann jeden Rahmen und nimmt uns Coaches die Zeit weg, die wir ja eigentlich mit Begleiten und Schreiben verbringen wollen…

Ich habe das jetzt so gelöst, dass ich auf meiner Website drei Coaching-Pakete anbiete.  Die vermitteln eine erste Vorstellung davon, wie so ein Coaching ablaufen kann. Und natürlich gibt es nach wie vor maßgeschneiderte Programme – oft auch im Anschluss an eines der Pakete. Das bedeutet Klartext: Was kostet das? Was ist drin? Aber ich merke, dass meine Klientinnen und Klienten das mögen. Und ich habe auch mehr Zeit für sie.


27. August 2017

Wieso eigentlich noch ein Intro-Buch?

Abgelegt in Allgemein

Seit zehn Tagen ist es zu haben: mein neues Buch „Leise Menschen – gutes Leben“.

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Das Buch komplettiert nach „Leise Menschen – starke Wirkung“ und „Intros und Extros“ eine ganze Leise Trilogie. Da stellt sich die berechtigte Frage: Noch ein Intro-Buch? Wirklich? Ich denke, hier ist ein guter Ort, dazu ein paar Worte zu sagen.

Die beiden Vorgängerbücher haben mein Leben sehr verändert. Ich durfte und darf weltweit dabei mitwirken, dass introvertierte Persönlichkeiten sich besser verstehen, dass Intros und Extros sich besser verstehen, dass Menschen ihre Mitmenschen besser verstehen. Eine Aufgabe, die groß und schön ist.

„Intros und Extros“ war das allererste Buch, das Intros und Extros auf Augenhöhe nebeneinanderstellte und die Unterschiede (ungefähr so wichtig wie die zwischen Mann und Frau) zwischen den beiden Typen in der täglichen Kommunikation herausstellte. „Leise Menschen – starke Wirkung“ unterstützt Intros darin, in ihrer Kommunikation auf ihre eigene Art sichtbar und erfolgreich zu werden. Aber es fehlte noch etwas sehr Wichtiges. Was da noch offen war, hat mich einige Jahre umgetrieben:  ein gelungenes introvertiertes Leben – wie lässt sich das erreichen? Wie können wir auf leise Art wachsen?

„Leise Menschen – gutes Leben“, das dritte Buch, geht nach innen anstatt nach außen. Die Fragen, die meine Interviewpartner und ich beantworten, sind große und weitreichende: Wie gestalte ich mein Leben? Wie finde ich heraus, was gut für mich ist? Wie können Dinge wie Glück, Freiheit und ein selbstverantwortetes Leben für mich möglich werden?

Das Buch antwortet darauf auf zweifache Weise.
Erstens feiert es Intro-Stärken. Wir Intros selbst halten diese leisen Superkräfte meistens für selbstverständlich oder für nichts Besonderes. Was zwar typisch, aber falsch ist: Intros haben mit ihren Eigenschaften schon ganz schön an der Welt geruckelt. Es lohnt sich also, im leisen Stärkepool einmal genauer hinzusehen.
Zweitens gibt es viele, sehr viele ganz konkrete Anregungen dazu, diese leisen Stärken im täglichen Leben zu nutzen, für uns selbst und unsere Entwicklung und am Ende auch für diejenigen um uns herum. Damit es schön konkret wird, habe ich mit sehr verschiedenen Menschen gesprochen und sie nach ihren Wegen zu einem gelungenen Leben befragt. Sie finden die Erfahrungen von Persönlichkeiten, die vielleicht ein Stück weiter sind als wir.

Ich freue mich, wenn das neue Buch Ihnen weiterhilft. Es ist mein wichtigstes. Ich habe oft mit Herzklopfen daran geschrieben und hoffe, es hilft Ihnen auf Ihrem Weg. Am besten drückt es Mary Oliver im Motto aus, das ganz vorn steht:

„Tell me, what is it you plan to do with your one wild and precious life?“

Enjoy the trip.

 

 

 


15. September 2015

Ruhmeshalle für Anne Schüller

Das war eine aufregende Zeit: Ende letzter Woche hatte ich die Ehre, der tollen Anne Schüller eine Laudatio zu halten. Sie wurde nämlich in die ehrwürdigen Ruhmeshallen der German Speakers Association aufgenommen – dort weilen nur Menschen mit außergewöhnlichen Lebensleistungen als Speaker.

Die dazu herausgegebene Pressemitteilung der GSA erzählt alles Wichtige zur GSA Hall of Fame.

Hier einige Fotos, die an die schöne Gelegenheit erinnern – und Annes Federboa war einfach wow!

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24. März 2015

Leise Menschen – hart am Wind (1): Wie gehen wir mit Druck um?

Leise Menschen – hart am Wind (1)

Wie gehen wir mit Druck um?

 Mit diesem Beitrag eröffne ich eine Themenreihe: In regelmäßigen Abständen poste ich hier Erkenntnisse, die leisen Menschen in einer oft ganz und gar nicht leisen Welt weiterhelfen können. Dabei geht es mir nicht um Artenschutz, sondern um ein artgerechtes Leben: Wenn es stimmt, dass gemischte Teams besonders erfolgreich sind, sorgen wir doch am besten dafür, dass es allen Teammitgliedern gut geht. Und noch besser ist, wenn wir uns fragen, was „Gutgehen“ für uns selbst eigentlich bedeutet.

Stress im Hirn

Gerade Extrovertierte üben in ihrem Verhalten und in ihrer Kommunikation leicht Druck aus, ohne dass sie das eigentlich wollen oder sich dessen bewusst sind. Extros sind handlungsorientiert, menschenzugewandt und – in entspanntem Zustand – eigentlich fröhliche, zupackende Menschen. Ihre nach außen gerichtete Energie schenkt ihnen eine lebendige Sprache und lässt sie mutig Hindernisse überwinden.

Für Intros ist Druck schlicht anstrengend. Der Extro kann aus verschiedenen Gründen mit seiner zupackenden Energie in Intro-Hirnen für Stress sorgen. Egal, ob die Motivation Status, Gewinnen, Macht oder einfach Power-Kommunikation heißt: Die Stresshormone fließen – vor allem bei Intros, die besonders leicht überstimuliert oder besonders vorsichtig sind.

Laute Szenen

Neulich im Meeting sah das so aus:

Intro-Managerin Karla: Wir haben nach unserer Recherche also ein ziemlich klares Ergebnis: Solange wir das Patent allein haben, werden wir die Nachfrage für das Medikament auf dem neuen Markt sehr wahrscheinlich so steigern können, dass wir die Gewinnzone ungefähr in (…)

Extro-Kollege Alex (unterbrechend): Jaja, stimmt. Jetzt geht es aber darum, schnell aktiv zu werden, bevor die Konkurrenz wieder schneller da ist. Ich schlage vor, wir machen jetzt schnellstens Nägeln mit Köpfen: nämlich (…)

Extro-Chefin: Alles klar – nimmst Du das in die Hand, Alex?

Karla: (guckt fassungslos)

Sie sehen, wie die Sache läuft: Vielleicht wurde Alex schlicht ungeduldig, weil ihm Karlas Beitrag zu langsam vorkam. Vielleicht wollte er sich auch einfach selbst positionieren: Dann wäre es ein Statusding, sich auf Karlas Kosten zu positionieren. Und die hat – egal, aus welchem Motiv Alex sie unterbrochen hat, – Stress. Und sie ärgert sich nach innen, nicht nach außen. Was ihr Ansehen im Team angeht, steht auf einem zusätzlichen Blatt.

Leise Gegenwehr

Wenn Sie ein leiser Mensch sind, haben Sie sich womöglich an ähnliche Situationen in Ihrem eigenen Berufsalltag erinnert und leiden mit Karla. Und womöglich fragen Sie sich gerade, wie Sie in einer solchen Situation eigentlich reagieren können.

Zum Glück gibt es im leisen Repertoire ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten. Verteidigen Sie sich!
Was genau Sie tun können? Wählen Sie selbst. Hier sind einige leise Methoden. Gehen wir dafür zurück ins Meeting.

Methode 1: Für klare Regeln sorgen

Karla: Hey Alex – immer erst ausreden lassen, hm? Steht auf dem Poster!

Vorteil dieser Variante: Allgemeine Regeln gelten für alle – auch leise Moderatoren und Diskussionsleitungen finden es relativ leicht, ohne Ansehen der Person auf sie hinzuweisen. Klappt  sogar bei Vorgesetzten!

Methode 2: Freundlich weiterreden und das Gesagte intelligent nutzen

Karla: Ja, lieber Alex, finden wir auch. Deshalb haben wir schon einmal dafür gesorgt, dass die erste Niederlassung schon nächste Woche (…)

Diese Methode ist fortgeschrittender: Sie brauchen eine relativ schnelle Reaktionsfähigkeit. Wenn Sie ein wenig trainieren, brauchen Sie nur soviel Zeit, wie Sie brauchen, um „Ja, lieber Alex“ zu sagen, um den Inhalt hinterherzuschicken. Wenn Sie nicht gerade mit einem Überraschungsknaller wie der Niederlassung punkten können, reicht es zu sagen, dass Sie schon längst an einer arbeiten. Es geht vor allem um eins: um das Weiterreden. Das geht freundlich und leise.

Methode 3: Im Vorfeld mit den Entscheidungsträgern reden und ihnen das Wichtigste mitteilen

Extro-Chefin: Warten Sie, Alex, lassen Sie Karla mal zuende reden. Es gibt da schon ein Team.

Diese Variante hat zwei Vorteile: Erstens mögen es Vorgesetzte sehr, früher als andere informiert zu sein. Zweitens braucht Karla nicht selbst das Wort zurückzuerobern – das macht schon die Chefin. Mit einer deutlichen Signalwirkung: Alex wird sich nicht noch einmal trauen, sie zu unterbrechen.

Methode 4: Mit Humor eine Ebene höher gehen

Karla: Mooooment, lieber Alex – bist Du mir da gerade ins Wort gefallen? Vor allen anderen? Nee, oder? Also, was ich sagen wollte, (…)

Karla muss gar nicht laut sein – sie braucht nur zu erreichen, dass ihr „Mooooment!“ den Aggrex schon im Ansatz stoppt. Wenn sie eine sehr leise Stimme hat, hilft tief Einatmen und ein zusätzliches Heben der Hand.

 

Methode 5: Gnadenloser Charme

Legen Sie Alex freundlich die Hand auf den Unterarm, während Sie gleichzeitig weiterreden. Das geht natürlich nur, wenn Sie neben ihm sitzen. Wenn nicht, können Sie ihn anlächeln – auch eine Art, die Zähne zu zeigen!

 

Viel Freude beim Ausprobieren. Finden Sie heraus, wie Sie die Stresshormone am schnellsten loswerden, die zupackende Extros Ihnen geschickt haben.

Vergessen wir nicht: Wir stressen die Extros auch. Natürlich ganz klar, ohne das zu wollen. J

 

Buchtipp:

 


SYLVIA LÖHKEN

Intros und Extros

Wie sie miteinander umgehen und voneinander profitieren

360 Seiten, gebunden
E-Book inside
ISBN: 978-3-86936-549-7
€ 24,90 (D) | € 25,60 (A)
GABAL Verlag, Offenbach 2014

Intros, Extros und Zentros nebeneinander in ihren Stärken, Neigungen und auch Hürden im Umgang miteinander zu betrachten – das ist nicht nur fair, sondern ein Gebot der Realität. Denn wir leben ja nicht in Intro- und Extro-Kapseln. Die Realität ist das gemischte Team: in der Partnerschaft und in der Familie, mit Freunden und Kollegen, mit Chefinnen und Mitarbeitern. Das Buch zeigt vor allem eines: wie Menschen mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten, Neigungen und Eigenschaften zusammenwirken und voneinander profitieren können. Die Praxisbeispiele und ihre Lösungen führen zu mehr Verständnis, Toleranz und Wertschätzung gegenüber „leisen“ und „nicht so leisen“ Menschen in der Selbst- wie in der Fremdwahrnehmung.

 


27. Mai 2013

Der Laut-Leise Diwan hat Premiere!

Was unterscheidet Intros und Extros? Wie ergänzen sie sich privat und beruflich? Wo haben sie es manchmal schwer miteinander? Und wie sehen sie die Welt?  Margit Hertlein und ich finden, dass große Fragen wie diese ein neues Format verdienen.

Margit ist Extro, ich bin Intro. Ihr Beruf ist das öffentliche Reden. Meiner auch. Da lag es nah, einmal öffentlich über den „kleinen Unterschied“ zwischen uns zu reden.
Da sich zurzeit so viele Menschen für Intro- und Extroversion interessieren, haben wir uns etwas Besonderes ausgedacht:

Ab sofort treffen wir uns jeden Monat auf dem „Laut-Leisen Diwan“ und sprechen einige Minuten lang über ganz bestimmte Aspekte von Intro- und Extrovertiertsein, über laute und leise Menschen. Der Diwan selbst ist in Margit Hertleins Lieblingsfarbe orange gehalten und ist vor allem eines: ein Ort des Gesprächs.

 

 

Unser erstes Gespräch ist ab sofort online:
Der Laut-Leise Diwan (1). Punktlandung: Was Intros und Extros wirklich unterscheidet.

Schauen Sie doch einmal vorbei!

Nachtrag: Ende Juni 2013 ist der zweite Teil des Laut-Leisen Diwan erschienen. Der Titel:

Der Laut-Leise Diwan (2). Stimmt nicht! Klischees über Intros und Extros.

Herzlich willkommen!

 

 


20. Dezember 2012

Merry Christmas, Doctor Reiss! Feiern mit den 16 Lebensmotiven (und mit Tante Trude)

Persönlichkeitsprofile gibt es viele – doch keines hat mich bisher so überzeugt wie das Reiss Profile. Nach diesem Modell bestimmen 16 Lebensmotive in ihrer Ausprägung  das, was uns im Leben wichtig und sinnvoll erscheint, wovon wir viel und wovon wir nicht so viel haben wollen.  Was wir schätzen und womit wir Probleme haben. Was wir brauchen und was überhaupt nicht. Eigentlich sind es sogar 32 Motive, denn jedes der 16 Einzelstücke hat in hoher oder niedriger Ausprägung andere Vorlieben zur Folge. (Die mittlere Intensität ist nicht in gleicher Weise wichtig – allenfalls als Trend.) Wer die 16 Lebensmotive eines Menschen in ihren verschiedenen Ausprägungen ansieht, erhält ein Motivationsbild, das fast so einzigartig ist wie ein Fingerabdruck.

Was diese 16 Lebensmotive mit Weihnachten zu tun haben? Sie werfen zum Beispiel ein Licht auf die unterschiedlichen Wünsche, Vermeidungsstrategien und Genüsse, die das Fest mit sich bringen kann – je nachdem, welche Motive für unser Leben wichtig sind. Aus diesem Blickwinkel ist Weihnachten wie gemacht als Beispiel: ein und dasselbe Fest für viele, aber in seiner Bedeutung für jede(n) einzigartig. Natürlich sind die Beispiele holzschnittartig und nicht immer gaaaanz ernst gemeint. Aber sie helfen, andere Perspektiven zu verstehen. Zum Fest der Liebe gar nicht so schlecht…

Es folgen also hiermit: Weihnachtsstimmungsbilder aus den Perspektiven der 16 Motive, jeweils hoch und niedrig ausgeprägt. (Ausrufezeichen: Hoch ist nicht besser als tief – es verweist nur auf andere Vorlieben und Bedürfnisse! Ich skizziere beide Ausprägungen, hoch und tief, ganz kurz in Klammern.)

Motiv 1: MACHT (führen und leisten wollen bzw. sich an anderen orientieren)
hoch: Dieses Jahr gibt es ein tolles Fest – ich organisiere alles ganz nach meinen Vorstellungen! Und Tante Trude muss sich halt mal anpassen.
tief:  Dieses Jahr werde ich es allen so richtig schön machen und für sie da sein. Gerade Tante Trude wird das guttun.

Motiv 2: UNABHÄNGIGKEIT (frei bzw. emotional verbunden sein)
hoch: Weihnachten? Am liebsten weit weg von der Sippe. Vor allem von Tante Trude.
tief: Endlich ist wieder einmal der ganze Clan zusammen. Sogar Tante Trude kommt.

Motiv 3: NEUGIER (viel wissen bzw. praktisch handeln und umsetzen wollen)
hoch: Eine gute Gelegenheit, einmal etwas über die Jahresendsitten in aller Welt zu erfahren. Ich frage mal Tante Trude, die kennt sich aus.
tief: Ich rufe jetzt Tante Trude an – sie kann mir sicher sagen, wie ich diese blöde Gans doch noch braun bekomme.

Motiv 4: ANERKENNUNG (perfekt sein wollen bzw. selbstsicher ohne Außenbestätigung sein können)
hoch: Die anderen werden Augen machen – so einen absolut authentischen bayerischen Weihnachtsbaum haben sie noch nicht gesehen. Nicht einmal Tante Trude.
tief:  Hehe, YouTube ist toll: 10 Dinge, die Sie nicht tun sollten, wenn Sie Weihnachten feiern. Bringt mich auf ganz neue Ideen für den Umgang mit Tante Trude!

Motiv 5: ORDNUNG (organisiert bzw. flexibel sein wollen)
hoch: Super – bis zum 20. Dezember habe ich die Geschenkeliste dann ohne Stress abgearbeitet. Und ich habe noch Zeit, Tante Trude zum Kaffee zu besuchen.
tief: (googelt am 23.12., wie lange die Geschäfte Heiligabend geöffnet haben. Fragt sich, ob Tante Trude auch zur Feier kommt und ein Geschenk braucht.)

Motiv 6: SPAREN/SAMMELN (aufheben bzw. möglichst frei von Besitz sein wollen)
hoch: (holt die vier Kisten mit Baumschmuck aus vier Generationen aus dem Keller. Denkt an Tante Trudes noch größere Sammlung.)
tief: Ich dekoriere den Baum mit Zuckerstangen, Marshmallows und Spekulatius. Die brauche ich nicht einmal abschmücken. Vor allem dann nicht, wenn Tante Trude zuschlägt.

Motiv 7: EHRE (Werte einhalten bzw. frei von Prinzipien sein wollen)
hoch: Wie schön es ist, jeden Heiligabend die Familientradition  zu pflegen – und Tante Trude hat eben Pech, wenn sie keinen Kartoffelsalat mag.
tief:  In diesem Jahr könnte ich mal zur Best-Tattoo-Big-Booze-Xmas-Party – und Tante Trude habe ich damit auch vom Hals!

Motiv 8: IDEALISMUS (Gerechtigkeit für alle bzw. für die eigene Person)
hoch: So viele Menschen haben es Weihnachten gar nicht gut – ich frage Tante Trude, ob wir vor der Bescherung etwa für die Suppenküche machen.
tief: Mit etwas Glück kann ich mich verdrücken und ein Nickerchen halten, wenn die anderen Eintopf für die Suppenküche machen. Nur Tante Trude darf mich nicht erwischen.

Motiv 9: BEZIEHUNGEN (lieber mit Menschen zusammen bzw. lieber allein sein)
hoch: Alle Feiertage mit schönen Einladungen und Events gefüllt – wunderbar! Nur bei Tante Trude wird es etwas öde sein.
tief: Endlich Zeit zum Lesen. Und zum Spazierengehen. Nur der Besuch bei Tante Trude muss wohl sein. Sonst könnte ich die Hütte in Finnland nur für mich mieten.

Motiv 10: FAMILIE (Fürsorge für Kinder bzw. Freiheit von Fürsorgeverpflichtungen)
hoch: Die leuchtenden Kinderaugen bei der Bescherung – ich freue mich jetzt schon. Und Tante Trude macht sicher Fotos von uns und den Kindern.
tief: Vielleicht kann das Kind ja am zweiten Weihnachtstag bei Tante Trude übernachten. Dann könnten wir zu der schicken Einladung von den Meiers.

Motiv 11: STATUS (überlegen sein bzw. eine(r) unter Gleichen sein)
hoch: Hoffentlich merkt sich Tante Trude, dass die Tasche von Gucci und nicht von Pucci sein soll.
tief: Jogginghosen! Kuschelsocken! Nur Tante Trude wird mal wieder aufgebrezelt einlaufen.

Motiv 12: RACHE/WETTKAMPF (Gewinner sein bzw. Ausgleich anstreben)
hoch: Dieses Jahr haben wir die Meiers klar abgehängt in Sachen Weihnachtsdeko. Sagt sogar Tante Trude.
tief: Vielleicht könnten wir ja die Meiers zum Weihnachtskaffee einladen. Wir haben den Sinn für schöne Weihnachtsdeko gemeinsam. Und Tante Trude findet sie auch nett.

Motiv 13: EROS (sinnlicher Genuss bzw. sinnliche Askese)
hoch: Endlich wieder mit allen Sinnen genießen: Die Lichter! Das Essen! Die Musik! Und  Tante Trude ist für ihr Alter immer noch ein ganz schön heißer Feger.
tief: So ein Aufriss zu Weihnachten. Was kann man schon groß anderes tun als sonst? – Tante Trudes roter Lippenstift ist übrigens gewöhnungsbedürftig!

Motiv 14: ESSEN (Essen genießen bzw. nur Hunger stillen)
hoch: Das ultimative 5-Gang-Menü aus dem Feinschmeckermagazin: Weihnachten rockt! Und Tante Trude kann einen zweiten Nachtisch mitbringen.
tief: Hauptsache, die Meute wird irgendwie satt. Ein Eintopf ist doch zünftig. Mit Tante Trudes Würstchen aus der Dose, was soll’s.

Motiv 15: KÖRPERLICHE AKTIVITÄT (fit sein und sich bewegen bzw. sich ausruhen)
hoch: Alle Jahre wieder: Weihnachtsbaumschlagen mit der Säge. Und dann am zweiten Feiertag mit den Skiern auf die Loipe. Aber was machen wir mit Tante Trude?
tief: Weihnachten darf man sich ausruhen. Das Leben ist hektisch genug. Nur Tante Trude will bestimmt wieder joggen gehen. Verrücktes Huhn.

Motiv 16: EMOTIONALE RUHE (vorsichtig bzw. riskant handeln)
hoch: Bei Glatteis bleiben wir lieber zu Hause. Das muss Tante Trude dann eben verstehen.
niedrig: Wir nehmen das selbstgebastelte Tischfeuerwerk als Überraschung mit zu Tante Trude und probieren es aus. Bis Silvester haben wir dann noch Zeit, um für Nachschub zu sorgen.

 

Für die kommenden Weihnachtstage wünsche ich Ihnen lauter Momente, die Sie mit Ihren eigenen Lebensmotiven glücklich lächeln lassen: sei es dankbar oder genussvoll, überrascht oder gerührt. Und mögen Sie 2013 all das, was Ihnen wichtig und wertvoll ist, aus vollem Herzen leben können. Was kann es Schöneres für Sie selbst geben? Und für die Menschen um Sie herum? Ach ja, grüßen Sie Tante Trude!