Der Austausch zwischen Introverierten und Extrovertierten ist ein Diversity-Thema: Da beide Persönlichkeitsausprägungen unterschiedlich „ticken“, verhalten sie sich auch im Gespräch unterschiedlich. In diesem (und dem nächsten) Artikel geht es deshalb um die Frage: Wie rede ich als Intro mit einem Extro – und wie als Extro mit einer Intro?
Wenn Sie wissen wollen, ob Sie eher introvertiert oder eher extrovertiert sind, können Sie das mit meinem Online-Test leicht herausfinden. Und falls Sie sich als „Zentro“ in der Mitte wiederfinden, also zwischen den beiden Ausprägungen liegen, dann sollte die Sache einfach sein: Sie können sich meist auf Intros und Extros gut einstellen.
Heute geht es um die Frage: Wie können Sie sich als introvertierte Persönlichkeit im Gespräch mit einer extrovertierten Person bestmöglich verständigen? Die Antworten haben zwei Teile. Erstens lernen Sie ein typisches Extro-Bedürfnis kennen (ja, Kommunikation hat oft etwas von Fremdsprachenlernen :-)). Zweitens erfahren Sie passend zu dem jeweiligen Bedürfnis, was Sie genau tun können, um es im Gespräch zu berücksichtigen. Dabei gilt: Sie sollen sich selbst nicht verbiegen, sondern sich nur auf Ihr Extro-Gegenüber einstellen.
Extro-Bedürfnis 1: Tempo
Extros haben buchstäblich kürzere „Leitungen“ im Hirn und bevorzugen im Gespräch einen zügigen Austausch.
Intro-Strategie 1: Verbalisieren
Das bevorzugte Tempo Ihres Gesprächspartners soll Sie auf keinen Fall daran hindern, wie gewohnt gründlich nachzudenken. Gerade wegen dieser Gründlichkeit kommen Sie ja auf gute, durchdachte Lösungen. Denken Sie aber daran, dass Ihr Gegenüber innerlich von einem Fuß auf den anderen tritt, solange nur in Ihrem Kopf etwas passiert, außerhalb aber nichts. Tun Sie deshalb zweierlei:
1. Sehen Sie Ihr Gegenüber an und behalten Sie so den Kontakt.
2. Schicken Sie „Zwischenmeldungen“: Das kann eine Frage zu einem Detail sein, aber auch ein „Moment, lassen Sie mich kurz überlegen!“ Wenn Sie beim Denken einen soliden Zwischenstand erreicht haben, ist auch der eine gute Zwischenmeldung. Dann hat auch Ihr Gesprächspartner wieder etwas zum Verarbeiten. Wenn Ihr Gesprächspartner Sie bewusst mit Tempo unter Druck setzt (etwa durch ungeduldiges Nachfrage in einer Verhandlung), so können Sie auch um Bedenkzeit bitten.
Extro-Bedürfnis 2: Abwechslung
Extros brauchen Abwechslung – auch im Austausch mit anderen. Ausgedehnte Diskussionen über einzelne Punkte strengen sie an.
Intro-Strategie 2: Strategie statt Details
Ihre Gründlichkeit im Detail und Ihre Fähigkeit, „dicke Bretter zu bohren“, sind große Pluspunkte. In der Kommunikation mit Extros funktionieren sie allerdings oft nicht gut. Die Folgen: Langeweile und Ungeduld.
Überlegen Sie deshalb vor Ihrer Aussage: Was ist jetzt wesentlich? Verlieren Sie sich nicht in Einzelheiten. Geben Sie lieber einen roten Faden vor. Etwa so: „Ich finde, wir sollten dabei zweierlei berücksichtigen…“ Wenn Ihr Gesprächspartner zu einem anderen Aspekt springt, können Sie später wieder zu diesem Faden zurückkommen: „Lassen Sie uns noch einmal auf X zurückkommen.“ Das schafft für Sie beide Sicherheit und Überblick.
Viel Freude beim Ausprobieren!
Sehr geehrte Sylvia Löhken,
ich habe mich viel mit dem Thema der leisen Menschen in den vergangenen Wochen beschäftigt und mich mit Anderen darüber ausgetauscht. Mit unterschiedlichen Reaktionen. Angefangen vom leisen und milden Lächeln bis hin zu verstehendem Nicken und intensivem Austausch.
Leider habe ich sehr schlechte Erfahrung selbst gemacht und auch beobachtet, wenn man im Gespräch mit einem Extro um Bedenkzeit bittet oder überhaupt nicht gleich und zügig antwortet bzw. sich austauscht.
Wir, z.B. mein Sohn und ich, werden dadurch im Gespräch total unterschätzt und abgefertigt als wären wir etwas dumm.
Es ist manchmal schwierig die Kraft der eigenen Gedanken zu übermitteln im Gespräch, die Vielseitigkeit und Tiefe der Gedanken deutlich zu machen.
Ich bin froh, dass Sie sich des Themas so öffentlich annehmen und hoffe, es wird in der Öffentlichkeit eines Tages toleranter betrachtet, dass Intros gleichwertig sind. Ich bemühe mich, wenn sich die Gelegenheit bietet in der Öffentlichkeit, im Freundes- und Familienkreis auch darum.
Herzlichst
Sabine Reinhold
Liebe Frau Reinhold,
herzlichen Dank für Ihr Rückmeldung und dafür, dass Sie Ihre Erfahrung teilen. Ja, es ist nicht immer einfach, die eigene Haltung ruhig und selbstbewusst so mitzuteilen, dass das Gegenüber sie respektiert – auch, wenn sie vom eigenen Verhalten abweicht. Nach meiner Erfahrung liegt der Schlüssel in einem ruhigen (=leise Stärke) Selbstbewusstsein. Ein Trainingsfeld! Und der lebendige Augenkontakt ist wichtig. Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie allein nicht weiterkommen, hilft Ihnen vielleicht die Begleitung und Rückmeldung durch eine erfahrene Person, die sich in diesem Bereich auskennt. Professionell oder auch privat
Ich wünsche Ihnen und Ihrem Sohn von Herzen viele gute Erfahrungen beim Finden Ihrer ganz persönlichen Stärken.
Herzliche Grüße
Sylvia Löhken
Liebe Frau Löhken, liebe Frau Reinhold,
es ist wirklich so: In der Ruhe liegt die Kraft. Je ruhiger ich einer unruhigen Situation begegnen kann, desto sicherer fühle ich mich. In dem Moment kann ich konzentriert die Dinge, die ich zu sagen habe formulieren und mitteilen. Und sobald es mit der eigenen Ruhe besser klappt, hören die Mitmenschen auch besser zu. Ist diese Schallmauer erst einmal durchbrochen, stellt sich sozusagen ein Erfolgserlebnis ein. Sie werden die nächste kritische Situation wesentlich positiver und damit gleichwertiger erleben. Ein tolles Gefühl!
Herzlichst Heike Barz-Lenz