Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung porträtiert heute die beiden neuen Ministerpräsidenten in Griechenland und Italien. Lukas Papademos und Mario Monti haben offensichtlich vieles gemeinsam: Sie sind hochintelligent. Sie haben für ihre ökonomische Ausbildung ausgezeichnete Lehrer gewählt, die beide später den Nobelpreis erhielten. Sowohl Papademos als auch Monti wurden früh Professoren und gelten als Wirtschaftsexperten.
Doch am interessantesten finde ich die Parallelen in den persönlichen Merkmalen:
Papademos wie Monti meiden den offenen Schlagabtausch und scheinen eher sach- als machtorientiert zu sein. Sie gelten beide als diszipliniert, fleißig – und auch als distanziert und Menschen mit wenigen Freunden.
Zwischen den Zeilen entsteht hier das Bild zweier leiser Menschen. Sie sind es nun, die in einer Zeit zur Macht berufen werden, die gute Krisenmanager verzweifelt dringend und drängend braucht. Was befähigt besonders leise Menschen dazu, diese schwere Aufgabe zu bewältigen? Aus meiner Sicht helfen ihnen vor allem zwei Stärken:
Erstens können leise Menschen leichter als Extrovertierte die Sache vor die Person stellen und entsprechend handeln: konzentriert und auf das Wesentliche bezogen, eher nach sachlichen Notwendigkeiten als nach Kriterien des Machterhaltes und der Popularität. Sie sind weniger darauf angewiesen, selbst im Mittelpunkt zu stehen.
Zweitens sind leise Menschen – das lässt sich sogar neurobiologisch nachweisen – eher sicherheitsorientiert, während Extrovertierte eher auf Stimulation und Belohnung ausgerichtet sind. (Dies muss nicht so ausgeprägt sein wie bei Montis Vorgänger…)
Wir leben in einer politischen und wirtschaftlichen Situation, die Sachorientierung, Vertrauensbildung und Sicherheitsstreben zu hochattraktiven Eigenschaften macht. Genau diese können leise Menschen glaubwürdig vermitteln – besonders dann, wenn sie auch noch sehr kompetent sind.
Doch es gibt auch Schwierigkeiten, mit denen viele leise Führungspersönlichkeiten zu ringen haben.
Die erste und wohl größte Herausforderung ist die Überzeugungskraft. Wie werden es Papademos und Monti schaffen, starke Koalitionen hinter sich zu sammeln, visionäre Stärke zu entwickeln und Menschen zum Handeln (und zu Opfern) zu bewegen? Wie gut werden sie politische Partner und die eigene Bevölkerung motivieren und zu neuen Wegen zu ermutigen – in einer Zeit, in der die meisten frustriert, zornig oder sogar zynisch sind?
Zweitens sind Krisenzeiten auch Konfliktzeiten. Konfliktsituationen sind bei leisen Menschen unpopulär und werden gern gemieden. Dies ist innen- wie außenpolitisch aber gerade so gut wie unmöglich: Beide Ministerpräsidenten werden sich vor allem als Konfliktmoderatoren bewähren müssen und zwischen verschiedenen Lagern und Interessen zu vermitteln haben.
Ich bin gespannt, wie Papademos und Monti ihre neuen Positionen ausfüllen werden.
Alle guten Wünsche für zwei kluge, leise Menschen!